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Alles aus einer Hand 

Die Brüder Peter und Martin Acker betreiben den Sankt Wendelinushof in Bodenheim. Sie schlachten selbst und vermarkten das Fleisch der Tiere regional. Ist das noch rentabel?

BODENHEIM - Der Tod kommt immer montags. Zwischen 14 und 16 Schweine treten am Morgen ihren letzten Gang an. Vom Stall bis ins Schlachthaus sind es auf dem Hofgut Acker ungefähr 50 Meter. Mittels einer Elektrozange, die hinter den Ohren angesetzt wird, wird dem Tier ein Stromstoß verabreicht, der schneller ist, als ein Schmerzimpuls es sein könnte. Anhand ihrer Aufzeichnungsgeräte, aber auch durch Überprüfen des Lidreflexes vergewissern sich die Schlachter anschließend, dass das Tier nun vollkommen bewusstlos ist. Dann hängen sie das Schwein auf und durchtrennen seine Halsschlagader, um es ausbluten zu lassen. Etwa drei Stunden dauert es, bis alle Schweine geschlachtet sind.

Alle zwei Wochen lässt auch ein Rind sein Leben, es wird per Bolzenschuss getötet. Bei erhöhter Nachfrage sterben auch mal zwei Rinder. Zum Vergleich: In der Tönnies-Fleischfabrik in Rheda-Wiedenbrück werden täglich 30.000 Tiere geschlachtet. Den wöchentlichen Bedarf des Hofguts Acker schaffen dessen Tötungsmaschinen in einer halben Minute weg. Die vier Monate davor haben die Schweine in einem „Außenklimastall“ verbracht, der ihnen Bewegungsfreiheit lässt und der mit Stroh ausgelegt ist. In einem kahlen „Kastenstand“ der Mastindustrie dagegen hätten sie sich die Tiere nicht einmal ausstrecken können.

Gefressen haben die Acker-Schweine hauptsächlich Getreide, welches das Hofgut selbst anbaut. Nach der montäglichen Schlachtung schaut ein Veterinär vorbei, um Proben zu entnehmen und zur Untersuchung ins Labor zu bringen. Trifft bis 18 Uhr keine Meldung von ihm ein, ist das Fleisch freigegeben. Das Rind hängt noch eine Woche ab, mit der Verarbeitung des Schweinefleisches wird am nächsten Morgen begonnen. Ab Donnerstag liegen Wurst, Filet und Co. in der Theke des Hofladens im gleichen Gebäude bereit.

Bei den Acker-Brüdern gibt es eine klare Arbeitsteilung

Acker-Familien betreiben in Bodenheim schon seit 500 Jahren Ackerbau und Viehzucht. Mit Peter (49) und Martin Acker (36) ist nunmehr in der fünften Generation in Folge ein Brüderpaar am Werk. Allerdings haben ihre Vorfahren jeweils eigene Höfe unterhalten. Die beiden betreiben den 2003 an den Ortsrand ausgesiedelten Sankt Wendelinushof gemeinsam – und mit klarer Arbeitsteilung. Metzgermeister Martin und Ehefrau Wiola kümmern sich ums Schlachten sowie den Fleisch- und Wurstverkauf, Peter und Carmen Acker um den landwirtschaftlichen Bereich inklusive Hühnerzucht.

Das Konzept entwickelte Peter Acker bereits um die Jahrtausendwende. Den Ausschlag gab im Grunde die globale Öffnung des Zuckermarktes, die 2005 umgesetzt wurde. „Zuckerrüben waren stets eine unserer wichtigsten Einnahmequellen“, erzählt der heute 49-Jährige. „Als diese Neuordnung sich abzeichnete, wurde mir klar, dass die Preise nun ins Bodenlose fallen würden. Wir mussten uns etwas Neues einfallen lassen, wenn unser Betrieb künftig zwei Familien ernähren sollte.“ Herkömmliche Viehzucht versprach allerdings auch keine Gewinnmargen mehr. „Mit einem Schwein, das er lediglich mästet und anschließend zum Schlachthof fährt, macht ein Bauer vielleicht noch drei Euro Gewinn“, rechnet der Landwirtschaftsmeister vor. „Rentabel kann das nur für den sein, der auch die Vermarktung selbst in die Hand nimmt.“

Es fallen permanent hohe Kosten an

Dazu noch auf dem eigenen Hof schlachten zu wollen, bedeutete weitere Investitionen, die gut kalkuliert werden mussten. Von der Anschaffung des gefliesten Schlacht- und Kühlraums, den Hebevorrichtungen und Werkzeugen mal abgesehen, fallen permanent hohe laufende Kosten an. Strenge Reinigungs- und Hygienevorschriften müssen dauerhaft erfüllt, die Geräte gewartet und die regelmäßige Entsorgung der Tierabfälle gewährleistet werden. Zudem kostet die Fleischbeschau einen kleinen Betrieb pro Tier wesentlich mehr, als eine Schlachtfabrik zahlen muss.

Das Geschäft verzeichne nach wie vor kleine Zuwächse, mehr werde ja auch gar nicht angestrebt. „Unsere Schweinezucht ist mittlerweile am Limit, mehr als 250 Tiere können wir nicht aufnehmen.“ Der halboffene „Tiefenlaufstall“, in dem zurzeit 40 Rinder leben, könnte eventuell noch ein paar Tiere fassen – „mal sehen.“ Den Run auf ihren Hofladen, den die Familien derzeit in Folge des Tönnies-Skandals erleben, nimmt Martin Acker mit der Gelassenheit eines Unternehmers zur Kenntnis, der schon mehrere Lebensmittelskandale Kommen und Gehen sah. „Nach ein paar Wochen legt sich der Ansturm wieder“, sagt er. Dann blieben noch einige wenige neue Stammkunden, die auf den Geschmack gekommen sind.

Für ein Kilo Stielkotelett verlangt das Hofgut Acker 10,90 Euro. Beim Discounter kostet es aktuell 6,13 Euro. Auf ein einzelnes Kotelett umgerechnet, müsste der Fleischesser also etwa einen Euro mehr zahlen für die Gewissheit, ein Tier zu verzehren, das artgerecht gehalten worden ist. Ist das realistisch? Peter Acker hält es zumindest nicht für unmöglich, dass Konsumenten umdenken, das zeige der Handel mit Eiern. Da greife der Kunde mittlerweile auch nicht mehr nach den billigsten Produkten, die der Markt anbietet.

erschienen in "Allgemeinen Zeitung" am 7.7.2020

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